Wenn die Leidenschaft erlischt

Als ich vor 10 Tagen in Karlsruhe beim OpenDoors Tag war und mir die Vorträge unserer verfolgten Geschwister angehört habe, wurde ich innerlich überführt.

Es sind nur 5 Jahre her, seit ich ein Hilfswerk für verfolgte Christen verlassen habe, um Pastor in Bühl zu werden. Damals dachte ich oft: Wie können Kirchen und Gemeinden nicht jeden Tag für unsere verfolgten Geschwister beten?

Täglich erreichten uns Nachrichten aus den Ländern der Verfolgung. Herzzerreißende Schicksale und gleichzeitig Wunder über Wunder von Gottes großem Wirken. Mein Herz brannte für die Verfolgten. Sie waren meine täglichen Begleiter. Ich konnte teilweise nicht verstehen, wie wir hier im freien Deutschland einfach so Kirche leben können, ohne groß an die Verfolgten zu denken.

Ich saß dort auf dem Stuhl und fragte mich: Wie sieht es in meinem Herzen heute aus? Wie aktiv ist die Gemeinde, die ich leiten darf, für unsere verfolgten Geschwister?
Kleine Frage – erschreckende Antwort. Wahrscheinlich bin ich auch so ein Pastor geworden, über den ich mich vor 5 Jahren aufgeregt habe.
So schnell geht das.

Jesus als unser Vorbild

Schauen wir uns Jesus mal kurz an:

Hebräer 2,17*
Deshalb musste er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er vor Gott unser barmherziger und treuer Hoher Priester werden konnte, um durch sein Opfer die Menschen von ihrer Schuld zu befreien.

Hebräer 4,15
Dieser Hohe Priester versteht unsere Schwächen, weil ihm dieselben Versuchungen begegnet sind wie uns, doch er wurde nicht schuldig.


Jesus wurde uns in allem gleich. Gott hat sich mit uns Menschen 100%ig identifiziert. Er weiß, was es bedeutet, Mensch zu sein. Ihm war warm und kalt. Ihm taten der Rücken und die Füße weh. Er war fröhlich und traurig. Er war der Held und der Ausgestoßene. Er war ganz Mensch mit allem drum und dran. Letztlich hat Jesus seine Identifikation mit uns Menschen ans Kreuz gebracht.

Jesus ist unser Vorbild, und ihm wollen wir ähnlicher werden. Meine Leidenschaft für die verfolgte Kirche wurde durch den Alltag immer weniger. Ich habe mich auch immer weniger mit dem Thema beschäftigt. Es wurde mir dann immer fremder. „Ja, da war doch was. Ja, ich sollte da mal wieder was machen." Doch Leidenschaft ist das nicht mehr. Es geht so schnell.

Der Aufruf zur Identifikation

Der Schreiber des Hebräerbriefes fordert uns heraus, uns mit denen, die für Jesus im Gefängnis sitzen, so zu identifizieren, als wären wir selbst dort:

Hebräer 13,3
Denkt an diejenigen, die im Gefängnis sind. Fühlt mit ihnen, als wärt ihr selbst dort. Teilt das Leid derer, die misshandelt werden, als würdet ihr ihren Schmerz am eigenen Körper spüren.


Das fordert mich wieder neu heraus!

Kirsten hat am Sonntag uns einen Einblick in ihr Herz gewährt. Gott hat ihr eine Leidenschaft für Obdachlose, Prostituierte und Menschen am Rande unserer Gesellschaft geschenkt. Ihre Identifikation mit den Herausforderungen dieser wunderbaren Menschen bringt sie immer wieder an den Rand des Machbaren.

Und gleichzeitig ist es ein Geschenk Gottes, zu fühlen und zu erleben, was andere Menschen durchmachen. Die Bibel ist voll von bestätigenden Bibelstellen:

1. Korinther 12,26
Wenn eines leidet, leiden alle anderen mit, und wenn eines geehrt wird, freuen sich alle anderen mit.


Galater 6,2
Helft euch gegenseitig bei euren Schwierigkeiten und Problemen, so erfüllt ihr das Gesetz, das wir von Christus haben.

Die Frage nach der Leidenschaft

Wir können jetzt da stehen und sagen: „Das ist ja so nicht gesund." Oder wir können uns fragen: „Jesus, wofür möchtest du mir eine tiefe Leidenschaft schenken? Welche Menschen legst du mir so aufs Herz?"

Philipper 3,10
Mein Wunsch ist es, Christus zu erkennen und die mächtige Kraft, die ihn von den Toten auferweckte, am eigenen Leib zu erfahren. Ich möchte lernen, was es heißt, mit ihm zu leiden, indem ich an seinem Tod teilhabe.


Ich glaube, dass das, was Kirsten erlebt, zum Christsein dazugehört. Sie hat Anteil an den Leiden Christi. Diese sind nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Als Jesus einmal Jerusalem anschaute, jammerte es ihn. „Jammerte" bedeutet, dass es ihm den Magen umgedreht hat. So berührt und identifiziert war er mit uns Menschen.

Mein Gebet

In Karlsruhe habe ich Jesus gesagt, dass er die Leidenschaft für unsere verfolgten Geschwister wieder neu in mir entfachen darf und dass er mir Gnade schenkt, damit die Leidenschaft nicht nur ein Strohfeuer wird.

Und du?

Nimm dir einen Moment Zeit und frage dich: Was berührt dein Herz? Welche Menschen, welche Not, welches Leid lässt dich nicht kalt? Vielleicht sind es wie bei Kirsten die Menschen am Rand der Gesellschaft. Vielleicht sind es Kinder in Not, einsame Senioren, Flüchtlinge oder eben unsere verfolgten Geschwister weltweit.

Wo will Gott dir eine tiefe Leidenschaft schenken? Manchmal ist es ein Thema, das uns schon lange bewegt, aber im Alltag untergegangen ist. Manchmal ist es etwas ganz Neues, worauf er unsere Aufmerksamkeit lenken möchte.

Drei Punkte, um die Leidenschaft am Leben zu halten:

  1. Bleib informiert und verbunden
    Sorge dafür, dass das Thema in deinem Alltag präsent bleibt. Abonniere Newsletter von Hilfswerken, folge Organisationen in den sozialen Medien oder lies regelmäßig Berichte. Was nicht vor Augen ist, gerät schnell aus dem Herzen.

  2. Plane feste Zeiten des Gebets 
    Setze dir konkrete Gebetszeiten in den Kalender. Ob täglich fünf Minuten oder wöchentlich eine halbe Stunde – Hauptsache regelmäßig. Bete mit Namen, mit Gesichtern vor Augen, mit konkreten Anliegen. Das hält das Herz weich.

  3. Handle konkret und teile deine Leidenschaft 
    Leidenschaft braucht Taten. Spende, schreibe Briefe, organisiere Gebetsabende in deiner Gemeinde oder erzähle anderen davon. Such dir Gleichgesinnte und trefft euch regelmäßig zum Gebet und Austausch. Sprich auch deine Gemeindeleitung an – vielleicht brennt dort jemand für das gleiche Thema oder ist offen dafür, dass ihr als Gemeinde aktiv werdet. Wenn wir unsere Leidenschaft teilen und leben, bleibt sie lebendig und steckt andere an.
Gott segne dich dabei, herauszufinden, wofür dein Herz brennen soll – und dabei zu bleiben, auch wenn der Alltag kommt.
*Neues Leben. Die Bibel © der deutschen Ausgabe 2002 / 2006 / 2024 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Max-Eyth-Str. 41, 71088 Holzgerlingen
www.scm-brockhaus.de, E-Mail: info@scm-brockhaus.de
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